Uninspiriert.

Die Stadtbibliothek ist wieder geöffnet. Gleich vorab: Die Mitarbeiter (die selbst wahrscheinlich am Meisten darunter leiden, es aber nicht sagen dürfen) trifft keine Schuld. Auch der Security-Mann am Eingang dürfte sich eher langweilen, macht aber gleichwohl „Eindruck“. Und: moderne Architektur ist nicht grundsätzlich böse – auch nicht im historischen Umfeld, wie manche Stimmen glauben lassen. Aber nach dem ersten Besuch stellen sich Einem doch Fragen: „Muss das so sein? Bleibt das so? Nee, oder?“

Sehen wir also über die in DDR-nostalgischem Graubraun gehaltene Fassade hinweg und suchen den Eingangsschlitz. Leider darf sich das Gebäude ja nicht mehr zum Platz hin öffnen. Dort wartet also eine Drehtür, die – laut angeklebten Zetteln – keinesfalls zu mehreren betreten oder berührt werden darf. Mensch, beuge dich der Maschine! Woran erinnert uns das? Ach ja, am „Citypoint“ funktioniert das genauso wenig!

Dann geht es erst mal abwärts in die Abfertigungshalle – in einladendem Grau gehalten. Die Schließfächer mit kleinen Zahlenblock, der nicht nur das Gedächtnis (welches Kästchen war‘s doch gleich, welchen Code habe ich mir ausgedacht?), sondern auch die Fingerfertigkeit trainiert (wer die Eingabe nicht in knapper Zeit bewältigt, darf gleich nochmal von vorne anfangen). Wem fällt dazu ein lustiges Spiel für verregnete Nachmittage ein?

Irgendwo da hinten sind auch Toiletten – schick. Alle den Gesamteindruck störenden Details wie Seifen- und Handtuchspender wurden so elegant versteckt, dass der Nutzen spürbar leidet. Man hat doch lange Arme und fummelt gerne irgendwo hinterm Spiegel rum. Und Kinder? Naja, gibt ja in einer Bibliothek sicher nicht so viele.

Im Treppenhaus: Sichtbeton (sollte es wohl sein – wenn er denn sauber gearbeitet wäre!) und Metall (warum auch immer in knallgrün?) sind bekannt für ihre Nüchternheit – offenbar soll hier alle Inspiration der Literatur überlassen bleiben. Wir lassen die Parkhausatmosphäre fürs Erste hinter uns und erreichen den weiten und irgendwie leeren ersten Saal „Belletristik“. Funktioniert, aber setzt keinerlei Anreize zum Stöbern, Bleiben, Reinlesen…

Anscheinend gibt es auch ein Farbleitsystem – es musste nur schon mit ausgedruckten Zetteln ergänzt werden. Ach ja, die Beschriftung: Buchdruck – was gäbe das Thema in graphischer Hinsicht alles her… aber wenigstens praktisch und gut lesbar sollten die Schilder sein – die gewählte Symbolik „K“ und „L“ sowie die angeknabberte Breitschrift (mit dem seltsam ausbrechendem „e“) verfehlen leider beides: „Kleines ‚l‘ oder doch ‚1‘?“

Graue Metallregale verbreiten im ganzen Haus gute Laune, Wärme und Gemütlichkeit. Gibt es eigentlich ein Gesetz, nach dem man sich in öffentlichen Bauten nicht wohlfühlen darf? Schön immerhin, dass die Musikbibliothek nun im Haupthaus ist – und die Bestände damit deutlich besser im Blick. Der Kinder- und Jugendbereich – ähnlich wie unten, zusätzlich eine überschaubare Anzahl an bunten, offenbar als altersgerecht angesehenen „Möbeln“ – der Eindruck: zusammengestöpselt, spärlich. À propos: Dass ein Kinderkino (an sich ja eine nette Idee) auch einen Projektor, und dieser Stromanschluss braucht, ist offenbar auch erst nach der Eröffnung aufgefallen.

Der Blick auf die Stadtsilhouette ist tatsächlich eindrucksvoll, erwartungsvoll steigt man nach oben – und steht vor verschlossenen Türen: Nur für Personal. Das sind die Dinge, die einfach aufregen: Warum gibt es da keine Dachterrasse, keinen Lesesaal oder Cafeteria? Warum werden die Möglichkeiten, die ein Neubau schafft, nicht genutzt? Warum wirkt alles so willenlos, so uninspiriert? Von welcher Haltung zeugt diese Qualität? Wo ist die Idee in diesem Entwurf? Nebenan das Cinecittà ist bei aller Kommerzarchitektur schlauer konzipiert.

Fazit: Man wird sich an dieses Bauwerk gewöhnen (müssen), aber ein Bau, der Bürger und  Kultur zusammenbringt, der der ältesten deutschen Stadtbibliothek würdig wäre, hätte mehr sein müssen.  Ob meine Kopfschmerzen an diesem Abend auch damit zusammenhängen?

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